Gedankentagebuch

Eine Liebeserklärung

11.10.2022

Liebes Tagebuch,

während ich durch diesen Weg gehe habe ich das Gefühl, als würde ich vom größten Stolz der Natur umgeben. Diese Berge und Wälder sind wie ein perfektes Kunstwerk, als wären sie vor hunderten von Jahren von einem sehr begabten Künstler hierher gemalt worden. Die Farbe des Wassers, dieses unwirkliche Türkis, das sich seinen Weg bergab bahnt und dabei Steine zu  spiegelglatten Oberflächen geformt hat, Wasserfälle bildet, in Massen dort unten aufsprudelt. Hell tritt es hervor, an einer Schlucht die es kreiert hat, hebt sich deutlich vom Dunkel der Steine ab. Bildet einen Kontrast zum satten, dunkelgrünen Moos. Dieses Moos, das dort im Schutz der Feuchtigkeit wächst, ganze Teppiche bildet. Noch nie habe ich so sattes Moos gesehen, winzige Pflanzen, Seite an Seite. Das Geräusch des Flusses begleitet den Weg. Vom Geruch der wilden Minze und den Zapfen im Wald angetrieben geht es bergauf, weiter nach oben.

Zum ersten Mal seit Wochen wird es endlich still, um mich herum und in mir drin wird es allmählich ruhig. Irgendwie friedlich. Hier wachsen die schönsten Wildblumen und sie verzaubern mich viel mehr als alle Schnittblumen, die ich sonst in den Händen halte. Diese kleine, zarte Skabiosen Blüte wächst hier einfach so, direkt neben wunderschön, unperfektem Sedum. Und erst all die unglaublichen, kräftig grünen Farne. Dort, etwas versteckt entdecke ich sogar Silberblatt–Schoten. In diesen atemberaubenden Wäldern darf alles sein, neue Blüten wachsen neben abgestorbenen oder verblühten Pflanzen heran. Die Natur wird sich selbst überlassen und dankt es mit einer Fülle an purem Leben. Hier gedeiht neues Leben direkt neben dem unumgänglichen Tod, der irgendwie dazu gehört. Alles geht weiter, kommt und vergeht. Und so fällt es auch mir plötzlich leichter, loszulassen. Momente, Fehler, Menschen. Manchmal muss man etwas gehen lassen, um Platz für etwas neues zu machen. Um das Herz wieder neu zu öffnen. Um offen für die Schönheit des Lebens zu sein. Man muss nach vorn schauen, einen Fuß vor den anderen setzen, bergauf, weiter nach oben. 

Über Wurzeln, Äste und Steine führt der Weg weiter. Hier ist er besonders schmal und rechts geht es steil hinunter, doch meine geliebten Wanderschuhe finden sicheren halt auf dem festen Waldboden. Weit über meinem Kopf ragen die Bäume Richtung Himmel, suchen den Weg zum Licht, welches sachte durch das Grün hindurch leuchtet. Der Wind raschelt durch die Blätter und trägt alle Wünsche und Gedanken mit sich. Auf der linken Seite taucht gemächlich eine Kuh zwischen den Bäumen auf. Ein beruhigendes, tiefes Muhen. Je höher es geht, umso mehr Berge ragen am Horizont hinauf, in der Ferne ein glasklarer See. Hier ist die Natur so groß, so mächtig dass ich mich ganz klein fühle. All meine scheinbaren Probleme werden hier unbedeutend. Hier gehört die Welt der Natur, den Pflanzen und Bäumen, den Felsen und dem Wasser, den Tieren, all diesen wunderschönen, stolzen Tieren. Das hier ist ihre Welt. Ich fühle mich, als wäre ich ihr Gast, als hätte die Natur mich eingeladen und würde sich bei meinem Besuch von ihrer schönsten Seite zeigen. Als würde sie mich in den den Arm nehmen, wie eine alte Freundin die man lange nicht gesehen hat, aber bei der man sich sofort geborgen fühlt. Bei der man das Gefühl hat, dass gerade einfach alles gut ist wie es ist. Bei der man intuitiv weiß, es geht nur bergauf, weiter nach oben.

Dann ist da noch dieses kleine große Detail, dass diese wunderschönen Momente perfekt macht. Denn da ist noch deine Hand, die sich mir entgegen streckt. Die Tatsache, dass ich die Liebe zu dieser Schönheit hier, meine Begeisterung für die Natur mit dir teilen darf. Dass du all das, was ich hier denke und fühle verstehen kannst und ernst nimmst. Dass du diesen Weg mit mir gehst ist wohl wirklich das schönste daran. Und so geben wir uns weiter der Natur hin, zeigen uns die Schönheiten die wir entdecken und gehen gemeinsam diesen Berg hinauf, weiter bis nach ganz oben. 

 

Ich denke so gern an diese Momente zurück. Vielleicht, ja vielleicht kann ich dir in Zukunft noch mehr solche unvergesslichen Abenteuer erzählen,

deine Meret